Schon mein halbes Leben spiele ich Pen & Paper Rollenspiele, bisher fast ausschließlich in ein und dem selben Genre: Fantasy. Als ich letztes Jahr begonnen habe Shadowrun zu spielen, haben sich meine Augen für die Möglichkeiten geöffnet, die einem dieses Hobby zu bieten hat. Zwar habe ich bereits das ein oder andere Abenteuer in der Welt von Ratten! gemeistert, aber das war für meine Denkmaschinerie wohl eher ein spaßiger Zeitvertreib als der Anstoß sich in die Welt der PnP-Systeme auf zu machen und Neues zu erkunden.
Angetrieben von Shadowrun habe ich mir also überlegt, welches Genre ich gerne spielen würde, und habe beschlossen, dass ich nach Hogwarts will. Aber in welchem System könnte man das gut erleben? Meine Internetrecherche hat mich nur zu halbgaren fanmade Systemen geführt, die mich nicht zufriedengestellt haben, also habe ich mich bei meinen Freunden umgehört. Empfehlungen wie GURPS oder Bubble Gumshoe sind gefallen – und Fate. Ich habe mich über jedes der Systeme ein bisschen schlau gemacht und mich am Ende für Fate entschieden.
Einen schönen ersten Eindruck von Fate bietet meiner Meinung nach dieses Video von Wil Wheaton, der in seiner Web Serie TableTop gemeinsam mit Felicia Day und John Rogers ein Mystery-Abenteuer erlebt – geleitet von Ryan Macklin, einem der Entwickler von Fate.
Warum habe ich mich für Fate entschieden?
Die meisten Systeme, mit denen ich mich beschäftigt habe, haben den Zufallsfaktor Würfel minimiert oder gar eliminiert, was mir widerstrebt. Ich möchte nicht, dass das gesamte Geschehen rein erzählerisch vor sich geht und alles von den Wünschen und dem Können des Spielleiters abhängt. Hierbei mag ich besagten Systemen unrecht tun, aber das war der erste Eindruck den ich hatte.
Fate hingegen setzt weiterhin auf Fähigkeitswerte und Würfel – nicht allerdings auf Eigenschaften wie Stärke oder Geschicklichkeit, wie man es von Systemen wie Dungeons & Dragons gewohnt ist.
Außerdem hat mir das neue Element der Aspekte sehr zugesagt: Jeder Charakter hat Aspekte, jede Situation hat Aspekte, und sowohl Spieler als auch Spielleitung können diese zu ihrem Vorteil nutzen. Auch das Maß in dem die Spieler am Entscheidungsprozess beteiligt werden finde ich hervorragend. In anderen Rollenspielen bestimmen die Spieler nur über ihre eigenen Charaktere, in Fate darf jeder die Umgebung und sogar die gesamte Hintergrundgeschichte mitbestimmen. Für unerfahrene Spieler könnte das ein wenig überwältigend wirken, aber es ist ja kein Muss. Vielleicht ist für manche so ein offenes System sogar ein besserer Einstieg als ein starres Regelgerüst.
Die Umsetzung
Nachdem ich beschlossen habe selbst zu meistern und drei Freunde auserkoren habe, die ich durchs Schloss scheuchen will, habe ich begonnen mich in das Regelwerk einzulesen.
Die Fertigkeiten-Liste habe ich weitestgehend übernommen und nur leicht abgeändert:
- Fahren wird ersetzt durch Besen Fliegen
- Handwerk wird ersetzt durch Basteln
- Kämpfen wird ersetzt durch Handgemenge
- Diebeskunst und Schießen fallen weg
- Magie und Umgang mit Tieren kommen hinzu
Dabei beinhaltet Magie alles, wozu der Zauberstab benötigt wird. Schulfächer wie Zaubertränke, Wahrsagen und Kräuterkunde fallen also unter Wissen, Pflege magischer Geschöpfe unter Umgang mit Tieren.
Meiner Meinung nach ist es nicht schlimm, dass so unterschiedliche Fähigkeiten unter einen Überbegriff fallen; schließlich gibt es Stunts, mit denen man sich spezialisieren kann.
Damit meine Spieler sich keine Charaktere erstellen ohne zu wissen, was ihnen bei Fate eigentlich wichtig ist und wie das Ganze überhaupt funktioniert, habe ich ein kleines Abenteuer mit vorgefertigten Charakteren vorbereitet. Da es parallel zu Harry Potter und der Gefangene von Askaban spielt, musste ich keine eigene Spielwelt entwerfen – ein Prozess bei dem bei Fate an sich die Spieler mitwirken sollen und den ich für spätere Abenteuer auch sicherlich nicht auslassen werde: Wir wollen zeitlich parallel zu Harry Potter und das verwunschene Kind spielen (und dabei Details aus dem Buch, die uns nicht passen, einfach wegignorieren). Das bietet uns auch die Möglichkeit die Schule mit ganz neuen NSCs auszustatten und unseren eigenen Gegenspieler zu entwickeln. Die Spieler munkeln schon von einer Geheimorganisation, der Voldemort angehörte… Ich bin gespannt!
Den groben Umriss des Einstiegsabenteuers, alle Charaktere (inkl. NSCs) und den Lehrplan, den ich zusammengestellt habe, könnt ihr euch hier anschauen.
Falls ihr das Abenteuer nachspielt, erzählt mir doch wie es euch gefallen hat! 🙂
Unsere erste Session – Highlights
- „Shut up, Mom!“ – Brandons neuer Stunt (er weiß, wie man Bücher wirft)
- Die Clique schwänzt den Unterricht und wird von Mrs. Norris entdeckt – welche von Brandon mit einem Buch beworfen wird, in der Hoffnung sie kann dann nicht mehr zu Filch rennen.
Natürlich kann Mrs. Norris ausweichen und rennt weg, woraufhin die Clique flieht und das Buch mit Brandons Namen liegen lässt. - Nächster Halt: Die Küche.
Weiß jemand wo die ist? Nein. Was machen wir? Wir erpressen einen Hufflepuff. Okay.
PS: ES WAR NIE GEPLANT DASS IHR IN DIE KÜCHE GEHT. - Darren streitet sich grundlos mit Mrs. McGonagall und muss zusammen mit Brandon (dessen Buch McGonagall von Filch bekommen hat) nachsitzen.
Zum Nachsitzen kommen die Mädchen freiwillig mit und als McGonagall fragt warum, plappert Fae einfach alles aus, was die vier den ganzen Tag so getrieben haben. 50 Punkte Abzug für Gryffindor! - Mrs. McGonagall und Mr. Fluffles (Brandons Katze) sind best friends ♥
- „Deine Eltern sind doch Dementoren!“ – Darren zu Brandon
Was ich gelernt habe
Spieler machen nie was sie sollen.
Natürlich weiß man das schon vorher und auch bei Ratten! habe ich es schon erlebt, aber was wir in dieser ersten Session getrieben haben, war einfach unglaublich. Das Abenteuer war in meinem Kopf vielleicht 4 Stunden lang. Ich hatte Angst, es könnte zu kurz (und somit langweilig) sein. Wir sind etwa bis zur Hälfte gekommen.
Ich muss mehr Aspekte und Stunts vorschlagen.
Die Charaktere habe ich bewusst unvollständig gelassen, damit die Spieler sich selbst ein bisschen daran austoben können (wie in Tabletop, s.o.). Allerdings sind meine Spieler noch ein bisschen zu schüchtern um diese Option wirklich zu nutzen.
Meistern macht Spaß
Bei Ratten! habe ich mich immer an mitgelieferte Abenteuer gehalten. Das lief zwar gut, war aber für mich als Spielleiter nicht gerade spannend. Bevor wir uns für Fate getroffen haben war ich daher ziemlich aufgeregt und hatte Bedenken, dass ich es vielleicht nicht schaffe in diesem völlig fremden System vernünftig zu meistern, sodass alle Spaß haben.
Aber mit den Spielern zusammen eine Geschichte zu erzählen ist einfach ein tolles Erlebnis. Ich mag besonders, dass es mich aus meiner Comfort Zone raus holt und mich zum Improvisieren zwingt. Denn ich bereite zwar einen groben Leitfaden vor, aber was die Spieler daraus machen kann ich nicht vorhersehen.
Besonders in dieser Welt, in die ich mich schon als Kind zum Träumen zurück gezogen habe, ist es wundervoll seine eigene Geschichte zu spinnen. Jenny hat mir auch schon verraten, dass sie einen „absoluten Fangirl-Moment“ hatte, als ich beschrieben habe, wie der Hufflepuff ihnen den Weg in die Küche öffnet.
Aber auch das System trägt seinen Teil dazu bei. Mir gefällt wirklich gut, wie lebendig die Szenen durch Aspekte werden und auch die Charaktere bekommen viel mehr Tiefe durch ihre Aspekte und Stunts. Die Spieler sind gezwungen sich in sie hinein zu versetzen und können sich nicht durch stumpfes Wiedergeben von Werten daran vorbei mogeln.
Abschließend lässt sich nur sagen, dass ich sehr froh bin, Fate eine Chance gegeben zu haben und mich darauf freue zu erfahren, was wir noch alles in Hogwarts erleben werden.